Selbstdarstellung

Motivation

Der langfristigen erdölunabhängigen Bereitstellung flüssiger und gasförmiger Brenn- und Kraftstoffe stehen zahlreiche offene Fragen entlang der gesamten Wertschöpfungskette entgegen – von der Rohstoffbasis über geeignete Umwandlungsprozesse bis hin zu Produkteigenschaften. Alternative Bereitstellungskonzepte stehen im Hinblick auf Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und  Wirtschaftlichkeit auf dem Prüfstein. Damit ist immer noch unklar, was auf die erste Generation von Biokraftstoffen folgen wird.

Vor diesem Hintergrund haben die Initiatoren den ProcessNet Infotag „Alternative Brenn- und Kraftstoffe“ am 18. Okt. 2011 mit dem Ziel organisiert, die aktuellen Probleme mit den Teilnehmern zu diskutieren, um damit die gemeinsame Basis für die Einrichtung eines – zunächst temporären – ProcessNet Arbeitskreises „Alternative Brenn- und Kraftstoffe“ zu schaffen. Dieses Veranstaltungsziel fand nicht nur eine überaus positive Resonanz bei den Teilnehmern. Es gibt auch zahlreiche Rückmeldungen von Interessenten, die nicht nur die Bedeutung der Initiative hervorheben, sondern auch ihre Bereitschaft zur aktiven Mitgestaltung eines ProcessNet Arbeitskreises „Alternative Brenn- und Kraftstoffe“ erklären.

Es zeigt sich, dass die Idee der Initiative eine Marktlücke schließt. Es gibt zwar zahlreiche branchen- und produktbezogenen Veranstaltungen und Kreise zum Themenbereich „Biokraftstoffe“ und „nachhaltige Mobilität“, aber es fehlt ein interdisziplinärer Arbeitskreis, der die verfahrenstechnischen Ansätze branchen-, rohstoff- und produktübergreifend in den Fokus stellt. Hinzu kommt, dass zum einen jüngere Methoden wie beispielsweise die Direktverflüssigung noch keine geeignete Plattform gefunden haben und zum anderen die Vernetzung unterschiedlicher verfahrenstechnischer Ansätze in bisherigen Diskussionen zu kurz kommt.

Der ProcessNet Infotag hat Folgendes deutlich gemacht:

  • Im Hinblick auf Roh- und Reststoffnutzung in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft sowie Abfall- und Entsorgungswirtschaft besteht Bedarf für neue Lösungsansätze.
  • Maschinen- und Anlagenbau sowie Engineering suchen nach zukunftsweisenden Technologien und Märkten.
  • Automobilbau sowie Luft- und Schifffahrt sind zunehmend an einer neuen Generation alternativer Kraftstoffe interessiert.
  • Darüber hinaus werden Defizite bei den politischen Rahmenbedingungen und öffentlichen Förderprogrammen sowie bei der Öffentlichkeitsarbeit gesehen.

Im globalen Kontext kann man beobachten, dass die Bedeutung des Themas zwar auch in anderen Ländern und Kontinenten in zunehmendem Maße erkannt wird, aber ein vergleichbarer interdisziplinärer verfahrenstechnisch orientierter Ansatz noch nicht zu erkennen ist. Somit könnte dieser Arbeitskreis einen Beitrag dazu leisten, dass sich Deutschland mit Europa auf diesem Gebiet einen technologischen Vorsprung erarbeitet und sichert.

 

Konzept

Bei der Gewinnung und Anwendung alternativer Brenn- und Kraftstoffe geht es um eine Vielzahl verfahrenstechnischer Schritte der Stoffaufbereitung und Stoffumwandlung in der gesamten Wertschöpfungskette vom Rohstoff zum Produkt. Dementsprechend soll die Verfahrenstechnik unter Berücksichtigung der Produktanwendung der Schwerpunkt des Arbeitskreises sein.

Zu den verfahrenstechnischen Schritten gehören z. B. zum einen thermochemische, chemisch katalytische sowie biotechnologische Umwandlungsschritte und zum anderen thermische und mechanische Verfahrenstechnik für die Aufbereitung von Rohstoffen, Zwischenprodukten und Produkten sowie für die Abtrennung von Nebenprodukten. Eingeschlossen sind auch Kombinationen der genannten Verfahrensschritte.

Dabei ist die ehem. thematische Beschränkung auf Biokraftstoffe in mehrfacher Hinsicht zu überwinden:

  • Produktseitig werden neben Kraftstoffen für Mobilität auf dem Lande, dem Wasser und in der Luft auch Brennstoffe eingeschlossen, deren Bedeutung immer wieder unterschätzt wird. Immerhin gehen rund 25 % des Erdölverbrauchs in Deutschland in den Wärmemarkt. Darüber hinaus werden auch KWK-, BHKW- sowie Prozessenergie-Anwendungen berücksichtigt.
  • Chemierohstoffe als Koppelprodukte sind nicht ausgeschlossen.
  • Rohstoffseitig werden neben Biomassen, die nicht im direkten Wettbewerb zur Nahrungsmittel- und Futtermittelproduktion stehen, auch Reststoffe eingebunden, die ein wichtiger Bestandteil zukünftiger Konzepte für klimaneutrale geschlossene Stoffkreisläufe sind.
  • Technik und Prozesse kommen vielfach aus dem fossilen Bereich. Diese werden im Sinne von Cross Innovation auf biogene Rohstoffe übertragen. Ferner werden auch Chancen, die im Co-Processing von biogenen und fossilen Rohstoffen liegen, berücksichtigt.

Der Arbeitskreis „Alternative Brenn- und Kraftstoffe“ kann als Ideenschmiede für ein integriertes verfahrenstechnisches Baukastensystem dienen, das durch intelligente Vernetzung und Kombination der einzelnen Prozesseinheiten unter jeweiliger Berücksichtigung von Stoffstrom- und Energiestrombilanzen zum einen eine optimale Anpassung an unterschiedliche Rohstoffe und Produktanforderungen und zum anderen eine flexible Einbindung in unterschiedlichste Konzepte einschließlich Bioraffinerien zur Gewinnung alternativer Brenn- und Kraftstoffe erlaubt.

Beispielhaft werden in Abb. 1 die derzeit bekannten Hauptrouten von lignocellulosehaltiger Biomasse wie z. B. Holz, Miscanthus oder Stroh zu flüssigen Kohlenwasserstoffen mit ihrem integrierten Vernetzungspotential vereinfacht gezeigt. Dabei stellen sowohl die indirekte Verflüssigung über die Zwischenstufe Synthesegas (CO/H2) als auch die Direktverflüssigung einschließlich Flashpyrolyse über die Zwischenstufe Rohöl so genannte thermochemische Umwandlungsprozesse dar, während der TMFB-Pfad (Tailor-Made Fuels from Biomass) auch biotechnologische Prozessschritte beinhaltet.

Abb.: Vernetzung von direkter und indirekter Verflüssigung (nach Willner, 2011)

 

Aufgaben und Ziele

Der Arbeitskreis „Alternative Brenn- und Kraftstoffe“ steht in der Tradition des bisherigen Fachausschusses „Biokraftstoffe“, ist aber, wie oben beschrieben, eine Weiterentwicklung. Folgende Aufgaben werden dabei im Vordergrund gesehen:

  • Überwindung der Beschränkung auf Biokraftstoffe insbesondere durch produktseitige Erweiterung auf Brennstoffe
  • Identifikation von verfahrenstechnischen Fragestellungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Rohstoff zum Produkt
  • Anbahnung gemeinsamer Projekte
  • Austausch über Arbeitsergebnisse
  • Vernetzung von Prozessschritten zu neuen Konzepten
  • Kritische Prüfung neuer Ansätze und deren Bewertung
  • Erarbeitung von Status- und Positionspapieren für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft
  • Erarbeitung von Vorschlägen für öffentliche Förderprogramme
  • (Fach-)Öffentlichkeitsarbeit

Angestrebt wird die Erreichung folgender Ziele:

  • Neubelebung des Dialogs zwischen Wirtschaft und Forschung auf breiterer Basis als im ehem. Fachausschuss „Biokraftstoffe“
  • Beitrag zur Realisierung von Konzepten zur Gewinnung alternativer Brenn- und Kraftstoffe
  • Empfehlungen für die Gesetzgebung
  • Empfehlungen für öffentliche Förderprogramme
  • Erarbeitung und Sicherung eines technologischen in Deutschland und Europa gegenüber anderen Ländern und Kontinenten

 

Zusammensetzung und Arbeitsweise

Der Arbeitskreis „Alternative Brenn- und Kraftstoffe“ sollte interdisziplinär zusammengesetzt sein. Die Mitglieder sollten aus Wirtschaftsunternehmen, Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, Verbänden sowie Fördermittelgeberinstitutionen kommen.

Fachlich sollten folgende Bereiche abgedeckt sein:

  • Rohstoffaufbereitung
  • Umwandlungsschritte (thermisch, chemisch, biotechnologisch)
  • Katalyse
  • Abtrennung und Aufbereitung von Nebenprodukten
  • Aufbereitung von Zwischenprodukten und Produkten
  • Anlagenbau
  • Produktanwendung (Kraftstoffe, Brennstoffe)

Die Arbeitsweise sollte sich insgesamt an der bewährten Ausschusskultur orientieren. Einbis zweimal im Jahr sollten Arbeitssitzungen stattfinden, nach Möglichkeit kombiniert mit Vortragsblöcken zu Schwerpunktthemen. Zu den Aufgaben der Sitzungen gehörte neben den oben angeführten Punkten insbesondere die Diskussion aktueller Themen und Fragestellungen sowie interessanter neuer Ideen und Ansätze. Des Weiteren sollten zu aktuellen Themen öffentliche Veranstaltungen vorgeschlagen werden.

Der Arbeitskreis grenzt sich gegen andere ProcessNet Gremien thematisch ab. Gleichwohl bestehen Kooperationsmöglichkeiten in den überschneidenden Bereichen mit zahlreichen ProcessNet Gruppen in allen Fachgemeinschaften, insbesondere in den Gemeinschaften „SuPER“ „Chemische Reaktionstechnik“ sowie „Fluiddynamik und Trenntechnik“, die durch gemeinsame Veranstaltungen genutzt werden können. Gegenüber Gremien von anderen das Themengebiet berührenden Gesellschaften wie z. B. UFOP, AGQM, VDA, DGMK, FEE, BBK, BBE, BEE, FVV, VDB u.a. zeichnet sich der Arbeitskreis durch die rohstoff- und produktübergreifende Fokussierung auf die Verfahrenstechnik der Umwandlungsprozesse aus. Auch hier bestehen zahlreiche Möglichkeiten zu enger Zusammenarbeit.

Als Veranstaltungsort wird das DECHEMA-Haus in Frankfurt empfohlen.