4. Aktuelle Verbände und Arbeitskreise, die die Digitalisierung der Prozessindustrie gestalten

4. 1. Industrieverbände

4.1.1. NAMUR Interessengemeinschaft Automatisierungstechnik der Prozessindustrie

Die NAMUR ist ein internationaler Verband der Anwender von Automatisierungstechnik der Prozessindustrie mit Mitgliedsfirmen der Prozessindustrie mit Schwerpunkt Deutschland/Europa. Die Arbeit der NAMUR stützt sich hauptsächlich auf Arbeitsfelder, die für bestimmte Themengruppen eingerichtet wurden: AF 1 Planung und Errichtung (Projektmanagement, Qualitätsmanagement, der Projektierung und Errichtung), AF 2 Prozess- und Betriebsführungssysteme (Prozessleit- und Betriebsleitebene), AF 3 Feldgeräte (Messtechnik („Sensorik“) und der Stellgerätetechnik („Aktorik“)), AF 4 Betrieb und Instandhaltung (Instandhaltung, E-Technik, Schulung und Sicherheit von Prozessleit-Einrichtungen).

Die von der NAMUR erstellten Empfehlungen und Arbeitsblätter erläutern Vorgehensweisen, bieten Arbeitshilfen wie Checklisten und legen Anforderungen an Geräte und Systeme fest. Diese Dokumente beschreiben den Stand der Technik und dienen häufig als Grundlage für Gespräche mit Herstellern und beeinflussen Normungsvorhaben.

Das Voranbringen der Digitalisierung ist in sehr vielen Arbeitsgruppen zu Hause (vgl. Webauftritt). Aktuelle übergreifende Projekte (teils in Zusammenarbeit mit dem ZVEI) sind:

  • Automatisierung modularer Anlagen
    Die Verwendung von sogenannten Module Type Packages (MTP) ist ein Lösungsansatz, heutige Automatisierungssysteme zu modularisieren und somit die Flexibilität der Produktionsanlagen zu steigern. Es beinhaltet eine herstellerneutrale, funktionale Beschreibung der Automatisierung von Prozessmodulen zur Integration in Orchestrierungssysteme, beispielsweise konventionelle Prozessleitsysteme. Das MTP wird im Engineering-Werkzeug des Modullieferanten erstellt und kann in das des Anlagenbauers importiert werden
  • NAMUR Open Architecture
    Das Konzept NAMUR Open Architecture (NOA) bietet sowohl für Bestands- als auch für Neuanlagen Möglichkeiten, Anlagen effizient für kommende Innovationen zu ertüchtigen. Die Kernidee ist, die Daten der bisherigen Kern-Automatisierungswelt durch offene Schnittstellen wie beispielsweise OPC UA in die Systemwelt für Monitoring- und Optimierungsaufgaben zu exportieren und dabei die Kernautomatisierung weitgehend unverändert zu belassen.
  • Asset Life Cycle Datenmodell
    Dieses soll zukünftig die Entwicklung, die Planung, den Betrieb und die Instandhaltung von Anlagen der Prozessindustrie auf Basis internationaler Standards verbessern.
  • 5G in der Prozessindustrie
    NAMUR steht derzeit im intensiven Austausch mit Verbänden, Industrieanwendern, der Politik und der Bundesnetzagentur und stellt dadurch sicher, dass die Anforderungen der Prozessindustrie bei der Entwicklung und Implementierung von 5G berücksichtigt sind. NAMUR unterstützt damit den zukünftigen adäquaten und wirtschaftlichen Einsatz von 5G Technologie im industriellen Umfeld und gestaltet aktiv den Weg der Digitalisierung der Prozessindustrie.

Kürzlich haben das American Chemistry Council (“ACC”) als Vertreter seiner Process Automation Users Group (“PAUG”) und NAMUR der Verband von Anwendern der Automatisierungstechnik in der Prozessindustrie, eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit in den Fachgebieten der Automatisierungs- und Instrumentierungstechnologie unterschrieben.

Die Vereinbarung konzentriert sich auf den Austausch, die Verbesserung und Weiterentwicklung von Prozessen, Strategien, Richtlinien und Standards, zu den in der Prozessindustrie eingesetzten Instrumenten und Systemtechnologien. Beide Organisationen verfolgen – im Namen ihrer Mitglieder – abgestimmte Lösungen, um technologische Weiterentwicklungen global voranzutreiben.

 

4.1.2. ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V.

Die Mitgliedsunternehmen im ZVEI beschäftigen rund 90 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Elektroindustrie in Deutschland. Der ZVEI und seine Mitgliedsunternehmen sind dabei Schrittmacher des technischen Fortschritts. Überall im Fokus: die Digitalisierung. Die Elektroindustrie treibt die Vernetzung voran, in den eigenen Unternehmen, bei Lieferanten, Kunden, aber auch im privaten Umfeld. Als Innovationsmotor der Industrie gestaltet sie in den fünf Leitmärkten Industrie 4.0, Energie, Mobilität, Gesundheit und Gebäude sowie in den Themen Cybersicherheit, Gesellschaft & Umwelt und Bildung​ & Forschung den digitalen Wandel aktiv mit. ​​

Der Fachverband Automation im ZVEI bildet mit über 330 Mitgliedsunternehmen und einem Umsatz von rund 54,7 Mrd. Euro (2018) in Deutschland die Plattform für alle Unternehmen der Automatisierungstechnik, der industriellen Informations- und Kommunikationstechnik sowie der zugehörigen industrienahen Dienstleistungen.

Das Thema Digitalisierung wird innerhalb des Fachverband Automation in verschiedenen Arbeitskreisen bearbeitet, teils interdisziplinär mit der NAMUR: (Auswahl)

Arbeitskreis Modulare Automation, Arbeitskreis Energieeffizienz durch Prozessautomation, Arbeitskreis CE-Kennzeichnung, Arbeitskreis Technische Dokumentation, Technischer Ausschuss Automation, Forschungsgemeinschaft Automation, Lenkungskreis Industrielle Kommunikation, Lenkungskreis Automation Security, Arbeitskreis Systemaspekte, Arbeitsgemeinschaft Manufacturing Execution Systems, Technischer Ausschuss Sicherheitssysteme in der Automation, oder der Arbeitsgemeinschaft 5G-ACIA.

4.1.3. VDMA

Der VDMA hat mehrere Broschüren und Informationsschriften zum Thema Digitalisierung herausgegeben, die auch für Unternehmen in der Prozessindustrie interessant sind. Beispiele dazu sind:

Neuer VDMA-Leitfaden Selbstlernende Produktionsprozesse: Machine Learning Schritt für Schritt erfassen, September 2019. Der neue VDMA-Leitfaden unterstützt beim Thema Machine Learning und zeigt Schritt für Schritt auf, wie die Einführung im eigenen Unternehmen ablaufen kann.

Neuer VDMA-Leitfaden Interoperabilität durch standardisierte Merkmale, August 2019. Der Leitfaden „Interoperabilität durch standardisierte Merkmale“ beschreibt, wie Signale und Werte zwischen Fertigungseinheiten ausgetauscht werden und folgt so der Industrie 4.0-Idee. Das Schlüsselwort ist "Standardisierung". Produkte, Einzelteile Baugruppen oder Anlagenelemente sind durch Merkmale beschrieben, die in einem Format übertragen werden.

VDMA-Leitfaden "Industrie 4.0 trifft Lean" auf Deutsch und Englisch. Die Verschmelzung von Industrie 4.0 mit Lean Management bietet großes Potenzial, Unternehmen erfolgreich weiterzuentwickeln. Der VDMA-Leitfaden soll Firmen dabei unterstützen.

Industrie 4.0 konkret – Neuauflage 2019, Industrie 4.0 ist in der Breite der Unternehmen angekommen. Die Publikation zeigt aktuelle Lösungen aus der industriellen Praxis und bietet einen Überblick über die VDMA-Aktivitäten rund um das Thema.

Hier ist eine gute Informationsplattform zu finden und es bieten sich viele Anregungen und Kooperationsmöglichkeiten auch für Unternehmen der Prozessindustrie bieten.

4.2. Wissenschaftliche Arbeitskreise

4.2.1. ProcessNet Fachgemeinschaften (DECHEMA und VDI)

Die neun Fachgemeinschaften bilden die übergeordnete Struktur von ProcessNet.

  • Chemische Reaktionstechnik
  • Fluiddynamik und Trenntechnik
  • Partikeltechnik und Produktdesign
  • Prozess-, Apparate- und Anlagentechnik
  • Anlagen- und Prozesssicherheit
  • Sustainable Production, Energy and Resources
  • Werkstoffe, Konstruktion, Lebensdauer
  • Bildung und Innovation
  • GeCatS - German Catalysis Society

Den Fachgemeinschaften sind die fachlich relevanten Fachgruppen, Arbeitsausschüsse und Temporären Arbeitskreise zugeordnet. Ziel der Fachgemeinschaften ist der übergreifende Austausch in den jeweils zugeordneten Gremien sowie die Erarbeitung und Vertretung forschungspolitischer Aussagen für die übergeordneten Themenbereiche.

Die Koordination der Aktivitäten der Fachgemeinschaften erfolgt durch einen Lenkungskreis, dem die Vorsitzenden der zugeordneten Gremien angehören.

4.2.2. DFG und die Nationale Forschungsdateninfrastruktur NFDI

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert seit dem Frühjahr 2019 die Errichtung fachlich orientierter Dateninfrastrukturen, zu dessen Zweck am 4. Juli 2019 ca. 30 Konsortien ein Konzept eingereicht haben.

www.dfg.de/foerderung/programme/nfdi

Im Bereich Prozesstechnik ist bislang kein eigenes Konsortium aufgestellt worden. Die Dechema ist Koordinatorin des Konsortiums NFDI4cat, welches sich mit Katalyse, Reaktionstechnik und auch verbundene Prozesstechnik kümmert. Weitere Verbünde mit Nähe zur Prozesstechnik und technischen Chemie sind NFDI4 sind NFDI4chem (Chemie), FAIRmat (Materialwissenschaft), NFDI4ing (Ingenieurwesen mit Schwerpunkt Fertigungstechnik) und NFDI4mse (mse steht für Material Science & Engineering). Im Oktober 2019 soll ein Vollantrag zur Förderung weitere Aktivitäten eingereicht werden.

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Inhalt

  1. Einleitung
  2. Konzept der Digitalisierung in der Prozessindustrie
  3. Begleitung der Digitalisierung der Prozessindustrie und Gestaltung von potentiellen infrastrukturellen F&E-Schwerpunkten
  4. Aktuelle Verbände und Arbeitskreise, die die Digitalisierung der Prozessindustrie gestalten
  5. Wichtige Veranstaltungen zur Gestaltung der Digitalisierung der Prozessindustrie
  6. Referenzen